XJAZZ-Festival in Berlin-Kreuzberg - Die 5. Kurzgeschichte - Yaron Herman Encounters The Bad Plus – ein Vergleich

von Cosmo Scharmer

Yaron Herman
Yaron Herman, Foto: Norbert Krampf

Kurzgeschichten vom XJAZZ-Festival in Berlin-Kreuzberg 08.05. bis 12.05.2019

Die 5. Kurzgeschichte – 10.05.2019
Yaron Herman Encounters The Bad Plus – ein Vergleich

Gleiche Zeit, anderer Ort

Zu diesen herausragenden zeitgenössischen Piano-Trios gehören The Bad Plus und die Band von Yaron Hermann. Die gute Nachricht: Beide Trios sind beim XJAZZ-Festival zu hören. Die schlechte Nachricht: beide Gruppen spielen zum gleichen Zeitpunkt. Beide Konzerte zu besuchen ist in unserem Raum-Zeit-Kontinuum nicht möglich. Nicht fähig, sich für eine der beiden Trios zu entscheiden, blieb nur der folgende Kompromiss: die erste Hälfte der Musik – leider gibt es nur einen Set und keine Pause - gehört The Bad Plus im BI UU, die zweite Hälfte des Konzertes ist Yaron Herman in der Emmauskirche gewidmet. Zwischen beiden Spielstäten liegen 5 schnelle Geh-Minuten. Sollte also machbar sein. Soweit der Plan. Ob funktioniert?

Was bisher geschah

Die halbe Stunde des Konzertes von The Bad Plus ist rum. Mit großem Bedauern verlässt der Autor den Club Bi NUU und macht sich hurtig auf den Weg zur Emmauskirche, wo er ein vermutlich anderes, aber ebenfalls spannendes Konzert von Yaron Herman und seinem Piano-Trio zu erleben hofft.

Emmauskirche live

Der Autor erreicht wirklich in 5 Minuten die Emmauskirche am Lausitzer Platz. Nichts wie rein. Der Handscanner macht Zicken, also lässt der Autor das Ticket beim Eingang zurück. Nur keine weitere Zeit verlieren, denn er bekommt die Info, dass das Konzert pünktlich angefangen hat. Tja, das ist wohl Pech oder zumindest kein Glück! Die Kirche ist gut bis sehr gut besucht. Es sind nur noch wenige Sitzplätze ganz hinten oder vereinzelt in den übrigen Reihen frei. Auf einen dieser hinteren Plätze hetzt der Autor, lässt sich nieder, schnauft kurz durch und schaut sieht um, bevor er anfängt zu hören. Der erste optische Eindruck: ein mittelhohes Gewölbe, spärlich eingerichtet, wenig Atmosphäre, ziemlich steril. Alles im allem ist dies kein idealer Ort für ein Konzert eines Piano-Trios, aber die gute Locations sind in Kreuzberg begrenzt. Und irgendwo müssen die vielen Gruppen ja spielen.

Das Piano-Trio von Yaron Herman

Yaron Herman Trio
Yaron Herman Trio, Foto: Norbert Krampf

Kein Zweifel. Es ist die Akustik, die zwar nicht ins Auge, aber sofort ins Ohr springt. Der Autor zögerte etwas mit dieser Erkenntnis, aber die nicht optimale Akustik lässt sich einfach nicht „schön-hören“. Die Emmauskirche hat für Kirchräume zwar nicht besonders viel Hall, aber er ist vorhanden. Das Stück, was gerade gespielt wird, ist ein schnelles treibendes Thema mit viel Bewegung. Geht ordentlich ab, aber der Hall ist zu deutlich zu spüren und entspricht sicher nicht der Intention des Themas. Diese hohe Aufmerksamkeit dem Hall gegenüber hat der Autor wohl aus dem Konzert von The Bad Plus (erst 5 Minuten her) mitgenommen. Dort war die Akustik gut und die Austeuerung des Gruppensounds war – oder ist (Konzert ist noch live) – sehr gut. Hier in der Emmauskirche hat es das Trio von Yaron Herman dagegen viel schwerer, einen guten oder wenigstens akzeptablen Sound zum Klingen zu bringen.

Das Schlagzeug von Ziv Ravitz und besonders die Becken scheppern und schallen verstörend. Sam Minaie, der Mann am Bass, kann keine so prägnanten, gut zu differenzierende, und präsenten Töne liefern wie sein zur gleichen Zeit spielender Kollege Reid Anderson im Bi NUU.

Die Klangfarben des Pianos zwar kommen besser mit der Akustik zurecht, aber bei schnellen Akkorden und solistischen Läufen – wie sie gerade ertönen - haben auch mit mehr Tempo gespielte Sequenzen gewisse Schwierigkeiten, die Ästhetik des Pianoklangs angemessenen zur Geltung zu bringen. Dies gilt noch mehr für den Gruppen-Sound. Wegen dieser stark unterschiedlichen Akustik kann ein Vergleich der beiden Trios nicht ernsthaft durchgeführt werden.

Die Chronologie eines verpassten Konzertes

Denn nach ungefähr 5 Minuten Anwesenheit geht das aktuell gespielte Stück zu Ende und Yaron Herman stellt seine Musiker zum Abschluss noch mal vor. Nein, kann nicht wahr sein. Das Konzert ist zu Ende bevor es für den Autor angefangen hat. Schlussapplaus brandet auf. Freundlicher Beifall, auch etwas mehr, aber aus dem Häuschen sind die Leute nicht. Dazu trägt auch das Ambiente der Emmauskirche bei, das eher den stillen Zuspruch erwartet und weniger den stürmischen Applaus, die leidenschaftliche Begeisterung. Hier ist das Publikum etwas gemischter als im BI NUU. Das mittlere Alter ist gut vertreten, aber auch zahlreiche junge Leute sind zugegen.

Zur zeitlichen Abfolge: um 19:20 erreicht der Autor die Kirche. Bis 19:25 kann er dem gerade gespielten Stück lauschen und jetzt ist 19:25. Soll dies schon das Ende sein? Ja, genau, denn das straffe Programm lässt (fast) keine Zugaben zu. Zwangsläufig macht das Trio 5 min vorher Schluss und hat dann noch weitere 5 Minuten für die geschickt eingeplante Zugabe, die keine ist. Immerhin ist es eine Gelegenheit das Piano-Trio noch einmal für 5 Minuten zu hören. Durchatmen und zuhören.

Das nun folgende Thema ist ruhiger, stiller gehalten, hat mehr von einer harmonischen Jazz-Ballade mit lyrischen Akzenten. Deshalb können sich die Klangräume besser entfalten, kommen gegen den Hall besser an, klingen authentischer. Yaron Herman kann bei diesem Thema seine solistischen Fähigkeiten besser zum Ausdruck bringen. Seine Musiker halten sich mehr im Hintergrund und runden rhythmisch den wärmer tönenden Sound des Trios ab. Jetzt könnte das Konzert mit solchen Stücken weitergehen. Nichts da. Schon nach 5 Minuten ist die „Zugabe“ beendet. Das war´s dann!

Fazit:

Zu kurz, viel zu wenig Zeit, um das Konzert des heutigen Abends korrekt wahrzunehmen, zu beschreiben und mit dem Konzert von The Bad Plus zu vergleichen. Der Plan, von beiden Konzerten jeweils nur eine Hälfte der Musik zu hören, hat sich nicht umsetzen können, ist gescheitert, war wohl zu blauäugig.

Die Absicht war nicht, heraus zu bekommen, welches Trio „höher, schneller, weiter“ oder schöner“ spielt – (Jazz)Musik ist kein Sport. Sondern es galt, die Stilistik von zwei herausragenden zeitgenössischen Piano-Trios zu erkennen, auf sich wirken zu lassen und den Versuch zu unternehmen dies – soweit dies subjektiv und technisch möglich ist - zu beschreiben. Daraus wird nichts wegen der unterschiedlichen Akustik, die keinen seriösen Vergleich zulässt. Zum anderen liegt es ebenfalls an der sehr unterschiedlichen Dauer, die der Autor zum Hören der beiden Konzerte hatte. Für The Bad Plus waren das immerhin 30 Minuten (dies ist schon verdammt wenig) und für Yaron Herman und sein Trio gerade mal 10 Minuten. Das ist eigentlich nichts. Und uneigentlich ist es gar nichts!

Die folgenden Skizzen sind demzufolge außer Konkurrenz und sind mit aller Vorsicht zu genießen. Auf der Basis von 2 Titeln kommt es dem Autor vor, dass Bass und Drums des Yaron-Trios nicht die Intensität und Dramatik von The Bad Plus erreichen. Dies kann natürlich an den wenigen Stücken liegen, die nicht repräsentativ waren. Bei den Pianisten vermag der Autor dies nicht sagen. Hier kann Yaron Herman mit seinen technischen und musikalischen Fähigkeiten mit denen von Orrin Evans mithalten, wenn nicht übertreffen. Aber auch hier sind korrekter Vergleich und angemessene Beschreibung der Stilistik nicht möglich.

Zwei Konzerte zum gleichen Zeitpunkt an unterschiedlichen Orten sind einfach nicht zu machen. Hätte der Autor auch vorher wissen können.

Text: Cosmo Scharmer
Foto: Norbert Krampf

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