INSPIRATIONEN

Winfried Dulisch

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Vinsent Planjer: Warm to the Touch (Kepera Records / CD)

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Winfried Dulisch

Vinsent Planjer - Warm to the Touch

Ist Percussion überhaupt ein Musikinstrument? – Der Percussionist und Schlagzeuger Vinsent Planjer beweist auf diesem Album, dass auch die nicht-melodischen Perkussioninstrumente die volle Bandbreite musikalischer Erfahrungen abdecken können. Dieser Herausforderung stellt sich der niederländische Theater- und Jazzmusiker in Duo- und Trio-Besetzungen mit jeweils unterschiedlichen  Melodie-Instrumentalisten.

Kann ein Percussionist auch ein Komponist sein? – Ja, er muss seinen Mitspielern und sich selbst sogar geeignetes Material auf den Leib schneidern, wenn er die Ausdrucksmöglichkeiten ihrer Instrumente nutzen will. Eine hauchzart gestrichene Geige oder ähnliche Pianissimo-Effekte auf dem Klavier sind woanders beinahe selbstverständlich. Doch eine Marimba oder Trompete werden ähnlich wie hier nur selten dermaßen nah am Rand ihrer Wahrnehmbarkeit gefordert.

Das Album wurde auf hohem Tonmeister-Niveau produziert. Viele bislang überhörte Schattierungen zwischen meditativem Verinnerlichen und ausgelassener Spielfreude, zwischen Zartheit und zupackender Grobheit, zwischen hintersinnigem Spielwitz und künstlerischer Ernsthaftigkeit können sich hier naturbelassen präsentieren. So nebenbei ermuntert Vinsent Planjer seine überwiegend aus dem E-Musikbereich kommenden Mitspieler (muss es hier nicht eigentlich heißen: Gegenspieler?) dazu, ihre altvertraten Wege zu verlassen und einige Freiheiten des Improvisierens und Grovens zu genießen.

Als  Inspirationsquellen für seine Kompositionen nennt Vinsent Planjer die klassische persische Musik, das US-amerikanischen Amateur-Trommelorchester Carolina Crown bis hin zum experimentierfreudigen Neutöner Luciano Berio oder Pink Floyd. Aber können Percussionisten überhaupt vollwertige Musiker und sogar Komponisten sein? – Die Frage hat sich spätesten mit diesem Album endgültig beantwortet: Jaaaaah!

Erscheinungstermin: 05.04.2024
Label: Kepera Records

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Keef Hartley Band - Essener Pop and Blues Festival 1969 & 1970

Keef Hartley trommelte bis 1968 als festes Mitglied bei John Mayall & The Bluesbreakers. In dieser Kaderschmiede des britischen Bluesrock arbeiteten aufstrebende weiße Jungs mit ihren afroamerikanischen Blues- und Boogie-Lehrmeistern. 1969 regte John Mayall seinen Drummer dazu an, eine Bigband zu gründen. Die Keef Hartley Band (KHB) kann heute gesehen werden als ein Sammelbecken für Solisten, die sich in den anspruchsvollen, von Blood, Sweat & Tears inspirierten Bläser-Arrangments künstlerisch verwirklichen konnten.

Mit diesem kreativen Erfahrungsschatz hätte die KHB reich und berühmt werden können wie Jimi Hendrix und alle übrigen Woodstock-Acts. 20 Kamerateams dokumentierten dieses Peace&Music-Festival im August 1969. Ihre Arbeit wurde 1971 mit einem Dokumentarfilm-Oscar ausgezeichnet. Die KHB vertrat bei dieser Mutter aller Mammut-Openairs die britische Jazzrock-Fraktion. Doch der KHB-Manager untersagte jegliche Film- oder Ton-Aufnahmen vom Auftritt der Gruppe.

Zwei Monate später gastierte der Drummer und seine Jazzrock’n’Blues-Bigband beim Pop- & Bluesfestival in der Grugahalle, Essen. Als dort fand im April 1970 ein ähnliches Festival stattfand, war die KHB ebenfalls dabei. Der WDR schnitt beide Grugahalle-Konzerte mit. Mehr als ein halbes Jahrhundert später liegen diese Konzert-Mitschnitte klangtechnisch ordentlich aufbereitet auf CD vor.

Beiden Produktionen ist allerdings anzuhören, dass die WDR-Tontechniker damals noch sehr wenig Erfahrung im Umgang hardrockenden Jazzmusikern hatten. Doch die Ausgebufftheit, mit der die KHB-Bläser gegen das Rhythmus-Fundament (Gitarre, Keyboards, Bass und Fullpower-Drummer Keef Hartley) anspielten, lässt beim Abhören dieses Doppel-Albums immer noch erahnen: Hier stand eine Elitetruppe der Londoner Studiomusiker- und Jazzclub-Szene auf der Bühne.

Erscheinungstermin: 26.4.2024
Label: MIG

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Oscar Wilde: Das Gespenst von Canterville - Christian Brückner & Das Wilde Jazzorchester

Schon die Overtüre erfüllt ihren Zweck. Das blumig bunte Arrangement erzeugt vor dem inneren Auge des Hörers neblig dunkle Bilder, die aus einem Hitchcock-Thriller der 1930er stammen könnten. Und aus einem der Lautsprecher muss doch gleich eine Stimme verkünden: Hier spricht Edgar Wallace. Stattdessen bereitet Christian Brückner, die deutsche Synchronstimme von Robert De Niro und anderen Hollywood-Gesichtern, eindringlich besänftigend auf die kommenden Schauerlichkeiten vor.

Die Buchvorlage zu diesem Erzählkonzert stammt von Oscar Wilde, dessen “Canterville Ghost” 1887 erschien. Das Berlner Autoren-Duo Martin Auer (Musik) und Rüdiger Ruppert (Text) haben daraus für die Deutsche Oper Berlin dieses Auftragswerk geschaffen. Während Christian Brückner in dieser Schlossgespenster-Geschichte im überwiegend sachlich gehaltenen Tonfall eines Kriminalreporters den Ball flach halt, darf Das Wilde Jazzorchester seinem Namen alle Ehre machen. Martin Auer als Trompeter und Rüdiger Ruppert (Drums) fahren mit ihrem Ensemble dem sonor sanften Sprecher immer wieder genussvoll in die Parade – und zwar meist ohne Vorwarnung. Damit lassen sie den satirischen Spott in Oscar Wildes romantischem Schauermärchen aufblitzen.

Bei diesem für die Deutsche Oper Berlin geschriebenen Auftragswerk liefert Christian Brückner keineswegs nur Stichworte für die Musiker. Im Vergleich zur „Ballade von Robin Hood“, die 2023  den Deutschen Jazzpreis bekam, und dem 2021 erschienenen “Dschungelbuch” klingt “Das Gespenst von Canterville” wie aus einem Guss. Der Sprecher und Das Wilde Jazzorchester werfen sich bei Oscar Wildes romantischem Gruselmärchen voller Spielfreude gegenseitig die Bälle zu.

Als Ergebnis liefert ihre scheinbar so spielerischen Zusammenarbeit eine ausgewogenen Mischung von künstlerischer Ernsthaftigkeit und zwischendurch immer wieder hörbarem Augenzwinkern. “Das Gespenst von Canterville” ist auf keinen Fall nur ein Jazz-Appetitanreger für Kinder und solche, die es werden wollen. Das Album setzt auch einen Maßstab in der Sparte für zeitgenösische Theatermusik.

Erscheinungstermin: 24.04.24
Label: Sauerländer / Argon-Verlag

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Elias Akselsen and KORK - I tatersymfoni (In Romani Symphony)

Warum veröffentlicht ein norwegisches Plattenlabel dieses Album mit Musik, deren Wurzeln entlang der Balkan-Alpen-Donau-Route liegen? – Elias und Veronica Akselsen sind Nachfahren jener Roma, die 1499 aus Ungarn nach Norwegen auswanderten. In der neuen Heimat ist dieses Volk heute als eine schützenwerte Minderheit anerkannt. Doch die Behörden können oder wollen ihnen nicht einmal den Schutz der Famlie garantieren. Viele Roma-Mütter bringen ihre Kinder ohne medizinische Hilfe zur Welt, weil sie befürchten, dass ihnen sofort nach der Geburt das Sorgerecht entzogen wird.

Neben dem Vokalduo Elias und Veronica Akselsen sind hierSolisten auf Instrumenten zu hören, die zur Standardausrüstung der ungarischen Csárdás-Folklore gehören: eine wehmütig schluchzende Geige und das mit Klöppeln geschlagene Zymbal-Hackbrett. Zur kulturpolitischen Zeitdokument wird das Album durch die Mitwirkung des Kringkastingsorkestret (KROK). Dieses Norwegische Radio Orchester ist weltbekannt, weil es einmal im Jahr in Oslo beim Friedensnobelpreisträger-Konzert aufspielt. Zum Alltagsgeschäft des KROK gehören anspruchsvolle U-Musik oder leichte Klassik.

Die ebenso tiefgründig anrührenden wie melodisch eingägingen Zutaten dieser “”tatarischen” oder Romani Sinfonie” sind keine altbekannten “Zigeunerschnulzen”, sondern sie klingen unverbraucht und frisch. Lange genug hatte die größte ethnische Minderheit Europas diesen musikalischen Schatz der übrigen Welt verheimlicht. – Wann produziert ein deutsches Plattenlabel ein Album, auf dem das Tanz- und Unterhaltungsorchester eines öffentlich-rechtlichen Radiosenders zusammen mit Roma-Musikern spielt?

Erscheinungstermin: 08.04.2024
Label: Grappa Musikkforlag, 2024

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Richard Galliano - Rhapsody in Blue

Der argentinische Bandoneon-Spieler und Tango-Erneuerer Astor Piazzolla arbeitete 1983 mit dem französischen Akkordeonisten Richard Galliano zusammen. Als der Pionier des Tango Nuevo spürte, dass der Franzose ihn kopieren wollte, ermutigte er ihn dazu: Besinne dich ebenfalls auf deine Herkunft und bereite den Musette-Walzer neu auf. Richard Galliano befolgte diesen Rat und entwickelte die Musette Neuve.

George Gershwins Rhapsody in Blue wurde 1924 uraufgeführt. Der Komponist war zu jener Zeit eher bekannt als ein Lieferant von Schlagern und Tanznummern für Broadway- Musicalproduktionen. Seine Klavier-und-Orchester-Opus gilt heute als das bedeutendste Missing Link zwischen afroamerikanischem Jazz und europäischer Sinfonik. 100 Jahre nach der Premiere verlieh Richard Galliano dem Gershwin-Opus auf dem Mussete-Akkordeon eine zartfeine Beschwingtheit, ohne e die bluesige Tiefgründigkeit der Komposition zu kaschieren.

Für diese vielschichtig und ausgereift klingende Solo-Einspielung entlockte der Akkordeonist seinem Instrument einige bislang unbekannte klangfarbliche Schattierungen. Produziert wurde die 16-Minuten-Aufnahme für das niederländische Pentatone-Label, auf dem schon zahlreiche audiophile Tonträger erschienen waren. Dank der Ausgewogenheit zwischen Detailgenauigkeit und vollmundig klingendem Akkordeon ist Richard Gallianos “Rhapsody in Blue” nicht nur für sein Instrument eine Referenz-Aufnahme.

Erscheinungstermin: 09.02.2024
Label: Pentatone, 2023

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Pentatone

Regina Reiter & Danlin Felix Sheng - Bittersweet - Musik im Schatten des Dritten Reiches

Um dieses Album produzieren zu können, legten die Saxophonistin Regina Reiter und der Pianist Danlin Felix Sheng ihre Karten offen auf den Tisch. In ihrem Crowdfunding-Text nannten sie den Grund für ihre Sponsorensuche: “Auf unserer Debut-CD wollen wir fünf Werke verfemter, also von der NS-Diktatur geächteter Komponisten veröffentlichen. Eine CD-Produktion ist ganz schön teuer. Und es kommen viele Dinge zusammen – Tonmeister für Aufnahme und Mastering, Label für Produktion und Vertrieb, Flügelstimmung, Fotos und und und. Das schaffen wir nicht alleine, deshalb brauchen wir eure Unterstützung!”

Der Albumtitel “Bittersweet” betont eher den Unterhaltungswert der zwischen 1919 und 1952 entstandenen Duo-Stücke. Doch die Biographien der vier Komponisten sprechen überwiegend eine bittere und wenig süße Sprache.

Erwin Schulhoff starb 1942 als Nazi-Gefngener. In den 1920ern suchte er zwischen Dadaismus und Zwölftonmusik sowie den damals angesagten Modetänzen Shimmy und Charleston nach neuen Wegen. 1930 schrieb er sein Jazz-Oratorium “H.M.S. Royal Oak”. Regina Reiter und Danlin Felix Sheng spielen auf ihrem Debüt-Album seine „Hot-Sonate für Altsaxophon und Klavier“ – ein Werk, das im Spannungsfeld zwischen Tanzcafé und Jazzkeller beinahe schon Ohrwurm-Qualitäten offenbart.

Weniger einschmeichelnd, eher spröde zurückgenommen klingt eine “Sonate für Saxophon & Klavier” von Paul Hindemith; sie wurde 1943 im US-Exil geschrieben, während in seiner Heimat die Nazi-Bonzen ihn als “atonalen Geräuschemacher”, “Kulturbolschewisten” oder “entarteten Musiker” verunglimpften. Danach kommt ein Interpretation der “3 Lieder ohne Worte” von Paul Ben-Chaim, der 1933 Deutschland verließ und heute zu den Begründern einer israelischen Musiktradition gehört.

Eines seiner bekanntesten Kammermusikwerke ist Scaramouche für zwei Klaviere, das er für viele Besetzungen arrangierte, unter anderem für Saxophon und Bläserquintett. Von allen Komponisten seiner und älterer Generation, die sich in wenigstens einer Komposition zur Aufgabe machten, den damals neu aufkommenden Jazz oder wenigstens dessen Musizierphänomene in ihre Kompositionen zu integrieren (die bekanntesten unter ihnen waren Strawinski, Hindemith, Schostakowitsch, Satie und Schulhoff), war Darius Milhaud derjenige, der sich dieser Musik als klassischer Komponist am weitesten angenähert hatte.
ru von Paul Hindemith;

Das wohl bekannteste Werk auf diesem Album ist jene “Scaramouche”, die von Darius Milhaud ursprünglich für zwei Klaviere geschrieben wurde. Nach dem Einmarsch der Wehrmacht in Frankreich emigrierte der Komponist in die USA. Dort gehörten der Modern Jazz-Pianist Dave Brubeck, der Minimal-Musician Seve Reich und der Easylistening-Tonsetzer Burt Bacharach zu seinen Meisterschülern.

Jene 10.000 Euro, die als Produktionsetat zur Verfügung standen, wurden von Regina Reiter und Danlin Felix Sheng sinnvoll investiert. Nicht nur die einst verfemte Musik verdient es, (wieder-)entdeckt zu werden. Aus welch “bittersüßen” Quellen das Duo seine Inspirationen schöpfte, lässt das angenehm durchhörbare Album beinahe vergessen. Allein schon für das Honorar des Tonmeisters und Produzenten Jens F. Meier hat sich die Crowdfunding-Aktion also gelohnt.

Erscheinungstermin: 04.04.2024
Label: Kaleidos, 2023

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Marjan Vahdat: The Eagle Of My Heart

A cappella solo – das ist, wenn du dich hinter nichts und niemandem verstecken kannst. Die in Teheran geborene Sängerin und Vokalmusik-Pädagogin Marjan Vahdat interpretiert für heutige Hörer traditionelle, volkstümliche und regionale Musik aus dem alten Persien und dem heutigen Iran. Weil es den Frauen nach der Islamischen Revolution von 1979 in ihrer Heimat verboten ist, öffentlich als Solosängerin aufzutreten, spielte Mahsa Vahdat die meisten ihrer Alben im Ausland ein.

Der norwegische Produzent Erik Hillestad nahm “The Eagle Of My Heart” (KKV) mit der Weltmusik-Diva in einer Kirche in Oslo auf. In dieser Umgebung – nur begleitet vom angenehm kraftvoll nachhallenden Kirchenraum – konnte sich die Stimme der Hoffnungträgerin vieler Exil-Iraner bestens entfalten. Neben zwei traditionellen Liedern aus der west-iranischen Provinz Lorestan singt Marjan Vahdat hier eigene Melodien. Die Texte stammen zu einem Teil von Dichtern aus der persischen Vergangenheit . Oder sie wurden geschrieben von Zeitgenossen, die sich mit den Forderungen der iranischen Protestbewegung identifizieren: Frauen! Leben! Freiheit!

Erscheinungstermin: 26.04.2024
Label: KIRKELIG KULTURVERKSTED, 2024

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Boris Bergmann: The Richter Scale

Charles F. Richter (1900-1985) war ein US-amerikanischer Erdbebenforscher. Die nach ihm benannte Richter-Skala hätte eine überschäumende Inspirationsquelle für jede Jazzrock-Bigband sein können. Stattdessen benutzte der Berliner Pianist Boris Bergmann diese seismographische Messtabelle für eine Komposition im neoklassischen Stil.

Bei diesem Projekt ließ Boris Bergmann sich von Erdbebenforschern, Musikinstrumente-Designern und anderen Experten beraten. “The Richter Scale“ (Heresy) entfaltet ohne großen Personalaufwand seine kraftstrotzende Wirkung – dank eines Spirio-Modells, das vom Piano-Hersteller Steinway entwickelt worden ist.

Der Steinway-Spirio markiert die aktuell höchste Entwicklungsstufe von Selbstspiel-Pianos, deren Geschichte 1895 mit dem Pianola-Klimperkasten begann. Auf den Lochstreifenrollen der Welte-Mignon-Reproduktionsklaviere hinterließen dann später Sergej Rachmaninoff, Claude Debussy und andere Meister des frühen 20. Jahrhunderts ihr Pianospiel der Nachwelt.

Die Computer-Technik im Spirio fordert zu neuen Kompositiontechniken heraus. Das computergesteuerte Innenleben des Spirio macht es möglich, jeden einzelnen Abschnitt einer Komposition immer wieder anzuhören, zu verändern und zu perfektionieren. Als Interpret empfahl sich für das elfsätzige Werk der chinesische Pianist Ji Liu – ein Steinway-Endorser, der die spieltechnischen Möglichkeiten und Schwierigkeiten des Spirio kennt.

“The Richter Scale“ ist die erste Komposition, die speziell für den Steinway Spirio geschrieben wurde. Gleichzeitig ist sie die erste musikalische Umsetzung jener Erdbeben-Skala, die der Seismologe Charles F. Richter entwickelt hatte. – Welcher Bigband-Arrangeur wird als Erster diese Herausforderung annehmen?

Erscheinungstermin: 03.02.2023
Label: Heresy, 2023

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Cedric Burnside: Hill Country Love

Zu den Kunden des kalifornischen Radiomechanikers Leo Fender (1909-1991) gehörten in den 1940ern auch Gitarristen. Sie ließen sich von ihm ihre Instrumente reparieren. Mit den Erfahrungen, die er in seiner Reparaturwerkstatt gesammelt hatte, baute der Elektroniktüftler seine erste Gitarre – die Fender Broadcaster. Weil der Schlagzeughersteller Gretsch bereits ein Modell unter diesem Namen anbot, wurde sie umbenannt zur Telecaster.

Als Jazz-Fan hoffte Leo Fender, dass seine Idole das ergonomisch gestylte Instrument lieben würden. Doch Wes Montgomery und andere Jazz-Heroen, Rhyterm’n’Blues-Gitarristen wie T-Bone Walker und sogar die Rock’n’Roll-Stilbildner Chuck Berry oder Elvis-Begleiter Scotty Moore bevorzugten die dickbauchigen Gitarren der Gibson Guitar Corporation. Die Country-Gitarristen erkannten jedoch sofort die klanglichen Möglichkeiten und kultivierten in den Plattenstudios von Nashville den Telecaster-typischen “Boom-Chicka-Boom“-Sound.

Der einzige Blues-Innovator, dem die Telecaster auf den Leib geschneidert zu sein schien, war Muddy Waters (1913-1993). Mit seiner country-bluesigen Zupftechnik ließ er die Tele gleichzeitig wie eine Rhythmus- und Melodiegitarre klingen. Nach seinem Tod nutzte kaum noch ein Blues-Barde die Sound-Möglichkeiten dieser knackig zirpenden E-Gitarre. Nicht nur deswegen klingt das Album “Hill Country Love”, als habe der Sänger-Gitarrist Cedric Burnside die Telecaster neu erfunden.

Cedric Burnside lässt – ähnlich wie sein Vorbild Muddy Waters – die Telecaster wie zwei Gitarren klingen. Doch im Vergleich zum Folk-Blues-Wegbereiter aus dem Mississippi Delta steht ihm das inzwischen breiter gewordene Spektrum der Zupftechniken und Stilmittel zur Verfügung. Auf “Hill Country Love” verbinden sich archaische Blues-Roots mit Funk- und Hiphop-Grooves. Klanglich bewegt sich das Album ständig im Spannungsfeld zwischen angezerrtem schendem Röhren-Sound und filigranen Gitarrenverstärker-Einstellungen.

"Hill Country Love" wurde eingespielt in einem Gebäude, das mit seiner Holzhaus-Resonanz die klanglich perfekte Voraussetzung für den heimeligen Jukejoint-Charakter dieser Einspielung bietet. In dieser authentische Atmosphäre lenkt ein bewusst rudimentär gespieltes Drumkit die Aufmerksamkeit noch intensive auf den Telecaster-Virtuosen Cedric Burnside.

Erscheinungstermin: 05.04.2024
Label: Mascot, 2024

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Gurdjieff Ensemble: Zartir

Der Esoteriker, Poet und Komponist Georges I. Gurdjieff wurde 1866 in Armenien geboren. 1949 starb er in Paris, wo er ein „Institut für die harmonische Entwicklung des Menschen“ gegründet hatte. Thomas de Hartmann, ein russsischer Pianist, hatte circa 300 Gurdjieff-Kompositionen bearbeitet, 1980 nahm Keith Jarrett 15 dieser „Sacred Hymns“ für ECM auf

2008 gründete der armenische Musiker Levon Eskenian ein Ensemble, das mit Volksmusik-Instrumenten aus der Kaukasus-Region die künstlerische, ethnologische und spirituelle Bedeutung von Georges I. Gurdjieff würdigen soll. Auf seinem nun dritten Album präsentiert das Gurdjieff Ensemble mal temperamentvoll tänzerische, mal melodisch eingängige Weisen. Der lange Atem und die kraftstrotzende Gelassenheit der Musiker anmiert ständig dazu, die Augen zu schließen und sich in die Grundstimmung, dieser Meditationsbegleiter zu versenken – wozu besonders nachdrücklich der Finaltrack “The Great Prayer” einlädt, bei dem der Staatliche Kammerchor aus Armenien mitwirkte.

Auf “Zartir” lassen Levon Eskenian und sein Ensemble neue Blüten wachsen aus den regionalen Wurzeln des Weltbürgers Georges I. Gurdjieff. Das Album wurde in der armensichen Hauptstadt Eriwan eingespielt. Allein schon wegen seines deailverliebten und räumlich ausgewogenen Klangbildes gehört es in die Liste der ewigen Favoriten im Katalog des ECM-Labels.

Erscheinungstermin: 24.11.2023
Label: ECM, 2023

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Orkestar Kriminal: Originali

Fans der jiddischen Hochzeitstanzmusik sollten sich vor dem Orkestar Kriminal in Sicherheit bringen. Statt einer leichtgängig tanzbaren Klezmer-Mucke liefern diese zehn Kanadier die für heutige Ohren aufbereitete Musik aus dem osteuropäisch-jüdischen Gangster-Milieu der 1920er Jahre – eine (Unter-)Welt, die vom Schwarzen Meer bis an die Ostsee reichte. Die in Dänemark lebende Frontfrau Giselle Claudia Webber singt in „Ganovim-loshn“, dem Jiddisch der Diebe und anderer Halunken. Mal klingt sie provozierend frech, mal herzerweichend schmalzig.

Die verwendeten Sprachen zeigen, dass die Autoren dieser Songs weit herumgekommen waren: Arabisch, Polnisch, Bosnisch, dazu noch skandinavische Gaunerdialekte und Wortfetzen von zweifelhafter Herkunft. Die Auswahl der Instrumente reicht von folkloristischen und klassischen Wurzeln bis in die heutige Zeit: Saxophon, Posaune, Klarinette, Trompete, singende Säge, Bouzouki, verzerrt klingende Surfgitarre, Piccoloflöte, Geige, Akkordeon, Orgel, Kontrabass und Drums.

Erscheinungstermin: 15.03.2024
Label: CPL, 2023

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Text: Winfried Dulisch

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